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Foto: Webseite Boozefighters®

Foto: Boozefighters in Hollister

Eine echte Ikone, denn das Foto zeigt den Archetypus des amerikanischen Bikers: Mitglieder des „Boozefighters Motorcycle Club“ im kalifornischen Hollister, Juli 1947.

Dieses Bild habe ich erstmals in den 1980er Jahren als Cover der LP „Hollywood Rock´n´ Roll – 12 Rare Rockabilly Tracks“ von Ace Records gesehen. Zwei oberlässige Biker samt Freundin sitzen auf ihren Motorrädern und ziehen sich in aller Ruhe ein Bier rein.

Dieses körnige Motiv strahlte eine so grandiose Mischung aus Aufsässigkeit, Lebenslust und Selbstbewußtsein aus, dass es mir bis zum heutigen Tag nicht mehr aus dem Sinn gekommen ist. Natürlich ist es das perfekte Cover für ein Rockabilly-Album. Und die ideale Vorlage für all die Fantasien, die auch heute noch von der Kombination „Motorrad und Freiheit“ beflügelt werden. Aber es steckt noch mehr dahinter.

Boozefighters Motorcycle Club

Von Beginn an falsch deklariert (Riverside 1948), wurde dieses Foto tatsächlich am 4. Juli 1947 im kalifornischen Hollister geschossen. Die beiden Biker und die junge Frau hießen „Fat Boy“ Nelson (links vorne), Virgina “Dago” Day (Sozia) und Vern Autrey. Die Jungs gehörten zu den Kernmitgliedern des „Boozefighters Motorcycle Club“, der 1946 unter der Führung von „Wino Willie“ Forkner in Los Angeles gegründet wurde und den es heute noch gibt.

Beschädigte Kriegsveteranen

Wie bei sehr vielen Clubs seinerzeit üblich, rekrutierten sich auch die Mitglieder der Boozefighters (zu deutsch: Kampftrinker) aus Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die nach ihren Erlebnissen im Kriegs-Einsatz nicht mehr den Weg in die brav-biedere amerikanische Gesellschaft zurückfanden.

Aus heutiger Sicht fällt es nicht schwer, bei den meisten von ihnen eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ zu diagnostizieren, deren Symptome u.a. eine verstärkte Reizbarkeit mit Wutausbrüchen, Gefühle der Entfremdung und Bindungsunfähigkeit sind. Mittlerweile werden betroffenen Kriegsheimkehrern langandauernde Therapien verordnet, die zumindest einen Versuch zur Gesundung darstellen. Das gab es für die Veteranen von damals natürlich nicht.

Leben im Hier und Jetzt

Diese jungen Männer, die der Krieg mental schwer geschädigt hatte, fanden ihre „Gesellschaft“ nun beim gemeinsamen Fahren schneller Motorräder sowie Saufgelagen und Schlägereien zu jeder sich bietenden Gelegenheit (Motto der Boozefighters: „A drinking club with a motorcycle problem“). Nach all ihren Erfahrungen konnten und wollten sie sich einfach nicht mehr den alten Regeln eines geordneten Zivillebens unterordnen und bevorzugten einen ungebändigten Lebenstil im „Hier und Jetzt“.

Dabei darf bei aller Rohheit nicht übersehen werden, dass die Clubs mit Namen wie Galloping Gooses, the Top Hatters, the 13 Rebels oder eben Boozefighters ihren Mitgliedern in allererster Linie jenes Gefühl von Brüderlichkeit, Zuneigung, Respekt und Schutz vermittelten, das sie zuvor als Soldaten im Kreis ihrer Kameraden erfahren hatten und für das sie im normalen Zivilleben keinen Ersatz mehr fanden.

Hollister riot 1947

Die Boozefighters spielten eine wichtige Rolle bei dem so genannten „Hollister riot“ im Jahr 1947. Dabei handelte es sich um einen klassischen Medien-Hype, der nachträglich aus einer Kleinstadt-Bagatelle (Motorradfahrer diverser Clubs trafen sich anläßlich eines Rennens in der Stadt Hollister, betranken sich und störten die öffentliche Ruhe und Ordnung) ein in den USA bis heute sehr populäres, gesellschaftliches Bedrohungsszenario kreierte: „Biker gang taking over a town“.

Der Hollister-Vorfall wurde später u.a. zur Inspiration für den 1953 veröffentlichten und äußerst erfolgreichen Film „The Wild One“ mit Marlon Brando und Lee Marvin in den Hauptrollen. Vorbild für Lee Marvins Figur „Chino“ war übrigens Ober-Boozefighter „Wino Willie“ Forkner himself, der als Berater für die Filmcrew tätig war (und der sich wegen der negativen Darstellung der Biker nachträglich von dem Film distanzierte).

Strength, power, and volatility

Bill Hayes, Autor des Buches „The Original Wild Ones: Tales of the Boozefighters Motorcycle Club“ stellt in seinem Beitrag „Hollister 1947 & The Birth of the American Biker“ die weitreichenden Auswirkungen des Films auf die amerikanische Gesellschaft heraus: „The leather; the attitudes; the motorcycles; and the everpresent strength, power, and volatility of the bikers became a paradoxical fear/envy attraction for nearly every American. Not everyone could become a ‚wild one,‘ but it seemed that, deep down, everyone wanted to.“

Selbstbestimmte Außenseiter

Und was hat das alles mit unserm Foto zu tun? Warum ist es eine Ikone? Weil es im Grunde all das vorweg nimmt, was später mit dem Film „The Wild One“ seinen endgültigen gesellschaftlichen Durchbruch erfuhr: Der amerikanische „Biker“ als Entwurf eines alternativen Lebensstils! Ein selbstbestimmter Außenseiter am Rande der Gesellschaft, ein Rebell gegen alle Beschränkungen der Bürgerlichkeit. Riskant lebend und potentiell gefährlich, stets Teil einer Gruppe und nach ihren Regeln lebend, aber dennoch frei und selbstbewußt. Immer auf dem Motorrad. Ride to live.

Autor: Achim Bartscht

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WS: bfmc101.net
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