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Foto: K.G. Schleibinger

Aspes Navaho

Mit dem 16. Geburtstag begann in den 80er-Jahren die Mokick-Zeit. Und die italienische Geländesport-Maschine Aspes Navaho wurde für einige Jugendliche zur ersten großen Kraftrad-Liebe.

1980, eine Kleinstadt in Hessen, der 16. Geburtstag und das erste Mokick! Keine Hercules, Kreidler, Zündapp, Honda oder sonstwas. Eine Enduro mit 50 ccm aus Italien mußte es sein! Ab jetzt mobil auf zwei Rädern, mit variabler Reichweite je nach Taschengeldlage. Zum Kino in die nächste Stadt, zu den Badeseen im Umland, Dorfdiscos, Open Air-Konzerte, zur ersten (zweiten, dritten) Freundin… unvergesslich.

Malaguti Ronco war es nicht

Doch schnell folgte die Ernüchterung durch Zeitschriften und Vergleiche auf Parkplätzen: Die frisch angeschaffte Malaguti Ronco 50 war ja nur die Billigvariante einer richtigen Geländesport-Maschine. Die wahren GS-Kracher hießen Fantic, Beta oder Aspes!

Mein Erweckungserlebnis hatte ich eines Tages beim Anblick von Oliver und Stephan, zwei der coolen Jungs unserer Jahrgangsstufe. Um schneller zu den Abstellplätzen der Fahrräder, Mofas und Mokicks zu gelangen, kürzten sie, Seite an Seite, mit ihren Aspes und Beta einfach über eine rund 2 Meter hohe Treppe ab. Die beiden Jungs präsentierten diese kleine „Bergauffahrt“ mit solch einer unerhörten Beiläufigkeit, wie man sie heute aus Surfer- und Skateboardfilmen kennt: Da ist halt ´ne Treppe, na und? In diesem Augenblick war mir klar, dass auch ich so ein Wunderding namens Aspes Navaho haben muss, muss, muss!

Die erste große Kraftrad-Liebe

Bis dahin hieß es aber erstmal schauen, auf all die schönen Details, stundenlang. Schon der Blick auf den transparenten Kunststofftank einer Aspes Navaho mit dem darin schwappenden Benzin vermittelte das Bild absoluter Professionalität und war im höchsten Maße begehrenswert. Hochwertige Alu-Felgen, lange Teleskopgabel, massive Stoßdämpfer, Kastenschwinge, Metzler-Reifen, Schnellverschlüsse für die Seitenabdeckungen undundund… diese wunderbare Italienerin mit dem indianischen Namen war meine erste große Kraftrad-Liebe.

Doch der Sinn für Schönheit im Detail kann ein wirklicher Fluch sein, wenn kein Geld dafür da ist. Irgendwann hatte ich schließlich auch eine – Aspes Navaho RCR 50 Standard – und diesen Grad an jugendlicher Freude und Besitzerstolz erreichst du als Erwachsener dann fast nie mehr. Das war schön. Und wenn heute mal einer mit synthetischem Bel-Ray Zweitaktöl im Roller vorbeifährt, sind die Erinnerungen sofort wieder da.

Aspes Navaho – Ikone der 1980er Jahre

Beim Stöbern nach Informationen zur Marke Aspes bin ich auf die Webseite aspes-navaho.de von Karl Georg Schleibinger aus Bensheim gestoßen, der mit viel Liebe und Sorgfalt umfangreiche Informationen zu Aspes und anderen kleinen GS-Marken zusammengefügt hat und sogar Kleinteile nachfertigt.

Richtig begeistert haben mich die Pdf-Kopien der alten Prospekte und Beiträge in zeitgenössischen Magazinen, die auf der Webseite zu finden sind. Die schwarz-weißen Prospekte waren damals sehr selten und hatten bei uns im Freundeskreis Ikonen-Status. Das kann man sich heute, im Zeitalter der unmittelbaren Verfügbarkeit sämtlicher Informationen via Internet, gar nicht mehr vorstellen. Ich habe die Dinger seinerzeit wieder und wieder vor dem Einschlafen betrachtet.

Der Prospekt mit der Aspes RCS 50 ist ebenfalls ein Klassiker. Hier war erstmals der bereits erwähnte Kunststofftank in Farbe zu sehen (auf dem sich die Aufkleber übrigens nie lange hielten). Die Kotflügel und Seitendeckel waren von der Firma Stilmotor, transparent, sehr biegsam und profimäßig. Weitere Details: Die Kastenschwinge hatte ein Kettenführungssystem und die Federbeine Ausgleichsbehälter. (Stichwort Beifahrer: Wegen der langen Federwege ging die Aspes – auch bei kleinen Sozias – hinten mordsmäßig in die Knie. Das sah aber sehr gut aus!)

Und eh ich´s vergesse: Leistung aus den Minarelli-Motoren herauszuholen war überhaupt kein Problem, da die Drosselungs-Kits für den deutschen Markt sehr primitiv waren. Wer mehr wollte, bekam beim Händler Karl-Heinz Löber alles Notwendige. „Natürlisch nur für den Rennsport, Bubb, nätt für die Straß!“ Natürlich, klar, sowieso… Und hessische Dorfpolizisten waren auch nicht gut darin, bei Verkehrskontrollen die Tricks an den Italienerinnen zu erkennen. Wenn der Auspuff nicht zu laut war, kam man in der Regel davon.

Das letzte Traum-Mokick

Die grandiose Aspes Navaho RCL 80 Spezial war das letzte Mokick (ok, korrekterweise eine „80er“), von dem ich geträumt habe. Riesengroß, mit superlanger Telegabel und mächtigen, gasdruckunterstützten Federbeinen hinten. Dazu goldeloxierte Felgen und leistungsmäßig gut im Futter. Die Begeisterung hielt aber nicht lange an, denn der Einser-Führerschein und richtige Motorräder kamen in Reichweite. Am Ende wirkten auch die Aspes Navaho und ihre Schwestern nur noch niedlich. Der Nimbus der 50 ccm und 80 ccm Geländesport-Mokicks war erloschen. 1985 verschwand dann auch die Marke Aspes vom Markt.

Die Lust an der freien Fahrt

Was nimmt man jetzt mit aus dieser Zeit? Zum einen die Magie der Gerüche. Das mit dem Zweitaktöl hatten wir schon (hing auch in der Kleidung fest – wir rochen alle wie Tankwarte). Dazu gehörte aber auch der intensive Haar- und Staubgeruch des Helmfutters. Oder der Genuß am Respekt der anderen Mokickler, die einschätzen konnten, was hier vor der Eisdiele stand. Der Spaß, sich ganze Nachmittage lang wie echte Crosser durch den Schlamm zu wühlen und die Mühle am nächsten Morgen vollverkrustet vorm Schulhof zu parken. Oder: Papa fragte plötzlich nicht mehr nach Mathe-Noten, sondern half beim Kupplungswechsel. Die Augen der Freundin hinter dem Visier des Integralhelms… alles richtig, alles wichtig.

Aber die intensivste Erfahrung (ein wunderbar passendes Wort) war die bis dato unbekannte Lust an der freien Fahrt, an der Ziellosigkeit, nur der Nase nach. Fahren und schauen, unterwegs sein, nicht „da“ sein, irgendwo sein, Kurve um Kurve. Und genau darum geht es uns ja auch heute noch. Mehr als 50 ccm dürfen es aber schon sein.

Autor: Achim Bartscht 

Mehr zur Aspes Navaho

WS: aspes-navaho.de

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7 Antworten

  1. Exakt so erging es mir Ende der 1970er mit der Zündapp KS 50 Watercooled.
    ‚…und diesen Grad an jugendlicher Freude und Besitzerstolz erreichst du als Erwachsener dann fast nie mehr‘. Genau so siehts aus 🙂

  2. Schöner Bericht. Ich hatte auch eine 50er Aspes. Es war genial. Wirklich jeden Tag ins Gelände… schon auf dem Weg zur Schule. Übrigens habe ich meine auch 1980 bekommen und wohnte in einer kleinen Stadt in der Nähe von Kassel 😉
    (Anmerkung d. Redaktion: Beitrag gepostet am 2/13/2013 auf http://maschinistenundsoehne.blogspot.de)

  3. Ich kann alles nur bestätigen. Ich hatte 1980 trotz üblicher Vergaser- und Ritzelmauscheleien nicht das schnellste, aber (dank eines ‚ausgeräumten‘ Auspuffs) mit Sicherheit das lauteste „Mopped“ im Ort. Und wie erwähnt die meistbeachtetste 50er. Und da es damals auch noch offene (dh. befahrbare) Baggerseen und Kiesgruben und im Münchner Westen das Panzergelände gab, waren mein Spezl (Navaho schwarz) und ich (Navaho rot) jeden Tag im Gelände. MIt allen Schikanen (ständig Feuchtigkeit im Zündkerzenstecker bei Regen etc.) und inklusive kaputter Körperteile dank einiger böser Stürze, die die Aspes besser weggesteckt hat als ich 😉
    Geiles Mokick, geile Zeit! Danke Aspes und danke an Leute wie euch, die die Erinnerung wach halten.
    WL

  4. Ein toller Bericht !!
    Da werden doch gleich wieder die Jugenderinnerungen wach, ich hatte derzeit eine 50er und mein Nachbar sogar die 80er und wir waren sicher die ausgefallenste Mopedfahrer im ganzen Umkreis. Meine war sicher nicht die schnellste 50er dafür hörte und kannte mich jeder und im Gelände hatten die Yamaha und Honda 80er sowieso keine Chance. Leider hatte mein Getriebe irgendwann den 1sten Gang eingebüst und ein Hochstart war nicht mehr möglich was den Spaß an meiner Aspes keineswegs eingetrübt hat. Eine geile Zeit und ein Moped das die krassesten Stürze besser Wegsteckte als ich selber.

  5. Toller Bericht, auch ich hatte damals 1980 eine Aspes Navaho RCR 50 Spezial, die Leistung mit einem 19 er Dell Orto Vergaser und spezifiziertem Auspuff etwas nach oben getrieben, so daß man den Kleinkrafträdern ohne Probleme davonfahren konnte. Nach der Schule fast täglich im Gelände mit den Spezln, eine unglaublich schöne Zeit.
    Noch heute hängt der SW Prospekt der Aspes in meiner Garage……

    1. Hallo Ralf, freut mich, dass Dir der Beitrag gefallen hat. Die schöne Zeit mit den schnellen 50 ccm-Maschinen hat ja viele von uns geprägt. Ich frage mich, ob die Jungs von heute, die ihre Freizeit hinter dem PC verbringen, eigentlich ahnen, was sie alles verpassen?
      Beste Grüße
      Achim

  6. Toller Bericht. Danke.
    Ich hatte auch eine Aspes Navaho RCR 50 (grosser Vergaser)
    Und auch aus dem Umland von Kassel in Vellmar.
    Mit der Aspes bin ich zum Gymnasium (Gotheschule) in Kassel gefahren.
    Natürlich durchs Gelände. Schön wars 🙂

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